1. Strukturelle Probleme der Liegenschaftsentwässerung

In der Vergangenheit wurden Liegenschaftssentwässerungen häufig in einer Art und Weise angelegt, aus der sich heute erhebliche praktische Probleme für ihre Wartung und Instandhaltung ergeben:

Vielfache, oft überflüssige Bögen in den Leitungen erschweren den Zugang mit Reinigungs-, Inspektions- und Sanierungsgerät. Das gleiche gilt für Verzweigungen unter dem Grundstück: Bis vor kurzem konnte keinerlei Wartungsgerät seitlich in solche Abzweiger abbiegen, mittlerweile sind einzelne Inspektion- und Prüfgeräte dazu in der Lage. Zugangsprobleme stellen sich in verschärfter Form dort, wo ein Zugang von oben her nicht oder nur mit erheblichem Aufwand geschaffen werden kann: Unter der Bodenplatte des Gebäudes. Im Gebäude vorhandene Revisionsöffnungen sind im Zuge der Kellernutzung häufig verschlossen und überbaut, z.B. mit Wandfliesen, Holzvertäfelungen, Kachel- oder Laminatfussböden.

Ein erheblicher Teil der Schwierigkeiten und der Kosten bei der Inspektion und Instandhaltung von Grundleitungen ergibt sich aus solchen strukturellen Problemen!
Aus gutem Grunde ist neuerdings in Deutschland die Verlegung von Grundleitungen bei unterkellerten Gebäuden unzulässig - die Leitungen müssen künftig unter der Kellerdecke geführt werden. Bei Gebäuden ohne Keller sind die Grundleitungen auf kürzestem Wege geradlinig unter dem Gebäude heraus zu führen (DIN 1986-100).

 

2. Schäden

2.1 Typische Schäden an der Grundstücksentwässerung

Liegenschaftsentwässerungen weisen vielfältige Schadensbilder auf, die teils alterungs- und verschleissbedingt, zum Teil aber auch auf unsachgemässen Einbau zurückzuführen sind. Das Hauptproblem ist die Undichtheit der Leitungen, die zu Austritt von Abwasser und zu Eintritt vom Grundwasser führen kann - je nach Lage des Grundwasserspiegels. Fallweise und bei Verkehrsbelastung der Leitung (z.B. unter Einfahrten) entstehen aber auch Standsicherheitsprobleme.

Eine Gegenüberstellung von inspizierten und ausgewerteten Hausanschlussleitungen zum öffentlichen Kanalnetz bringt eine x-fach höhere Schadenhäufigkeit bei den privaten Kanalisationsleitungen zu Tage. Nicht nur sind Anzahl Rohrmaterial- und Richtungsänderungen markant höher auch Leitungen mit Wurzeleinwuchs, ausgebrochenen Muffen und mangelhaften Einläufen kommen bei den Liegenschaftsleitungen weit häufiger vor.




Typische Schäden an Rohrleitungen sind:

  • Fehlende oder verrottete Dichtungsmaterialien zwischen den Rohren
  • Undichte, teils weit klaffende Rohrverbindungen und Rohrversatze
  • Lageveränderungen der Leitungen
  • Längs-, Quer- und Rundrisse
  • Scherbenbildung und Leitungseinbruch
  • Abflusshindernisse durch Scherben oder eingetragene Fremdkörper
  • Wurzeleinwuchs
  • Leitungsquerungen

Typische Schäden in Schächten und Bauwerken sind:

  • Korrosion von Betonbauteilen
  • Undichte Fugen von Betonbauteilen
  • Lageversatze von Bauteilen
  • Risse und Brüche
  • Ausgebrochene Ziegel, korrodierte Fugen
  • Korrodierte Abdeckungen und Klappen


All diese Schäden sind im Zuge der Zustandserfassung bzw. Dichtheitsprüfung zu erfassen, in einem Plan der Liegenschaftsentwässerung zu dokumentieren und anschliessend in einem angemessenen Zeitraum zu sanieren.

01 1
Blick in einen Anschlusskanal
mit undichten Rohrverbindungen.
  06
Bruch der Leitung, kurz vor dem Einsturz.

     
01 1
Wurzeln als Abflusshindernis in der Grundleitung:
Ein sicheres Zeichen für eine undichte Leitung.

  01 1
Wurzeln aus einer undichten Grundleitung
als Betriebsstörung im Hauptkanal.

     
starke Ablagerungen
Starke Ablagerungen.
  stark Versetzte Verbindung
Stark versetzte Verbindung.
     
Stark Ausgewaschen
Stark Ausgewaschen.
  Offene Verbindung
Offene Verbindung.
     
Materialwechsel offene Verbindung
Materialwechsel offene Verbindung.
  Mangelhafte Reparaturstelle
Mangelhafte Reparaturstelle.
     
Mangelhafte Anschluesse am gleichen Ort
Mangelhafte Anschlüsse am gleichen Ort.
   

 

3. Folgen undichter Liegenschaftsentwässerungen

In der Schweiz liegen keine fundierte Zahlen vor, zurzeit werden jedoch in ausgewählten Gemeinden quartierweise Liegenschaftsentwässerungen inspiziert und ausgewertet. Eine erste Gegenüberstellung der Schadenhäufigkeit von privaten und öffentlichen Kanalisationen findet sich anfangs dieses Kapitels. In Deutschland geht man nach Erhebungen des ATV-DVWK (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) bei den öffentlichen Kanälen von rund 17% Defektrate und rund 40% undichter Leitungen auf privatem Grund aus. Insbesondere stellt sich immer wieder heraus, dass ein grosser Teil der Leitungen, die bei einer optischen Inspektion intakt aussehen, sich letztlich doch als undicht erweisen, sobald sie einer Druckprobe mit Wasser unterzogen werden.

 

3.1 Umweltbeeinträchtigungen durch austretendes Abwasser
Liegen undichte Abwasserleitungen dauerhaft oder zeitweilig über dem Grundwasserspiegel, kann aus ihnen Abwasser austreten und Boden und Grundwasser verunreinigen - beides grundsätzlich ein strafbarer Tatbestand. Das Risiko hängt natürlich wesentlich von den Inhaltsstoffen des Abwassers ab. Deshalb sind gewerblich und industriell genutzte Anlagen bei Undichtheit besonders gefährlich. Aber auch häusliche Abwässer sind keineswegs harmlos. Immerhin können auf diesem Wege fäkale Keime (z.B. E. Coli) und andere Krankheitserreger in die Grundwasserleiter und von dort in die Trinkwassergewinnung gelangen. Daher sind auch undichte Leitungen für häusliches Abwasser nicht akzeptabel - vor allem wenn man bedenkt, vor welchen erheblichen Mengen defekter Rohre und Schächte wir heute stehen.

3.2 Grundwasser im Kanalnetz: Das Fremdwasserproblem
In der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt und sogar von manchen öffentlichen Anlagenbetreibern in seiner Wirkung unterschätzt ist das Problem des Fremdwassers in öffentlichen Kanalnetzen und Kläranlagen. Fremdwasser tritt in Misch- und Schmutzwasserkanälen auf und lässt sich ganz allgemein beschreiben als Wasser, das dort nach der Bestimmung der Kanäle nicht hinein gehört. Fremdwasser stammt vorwiegend aus

  1. falsch angeschlossenen Dachentwässerungen und Drainagen
  2. Brunnenwasser
  3. Grundwasser, das über undichte öffentliche und private Leitungen und Bauwerke in die Schmutz- oder Mischkanalisation eintritt
  4. usw.

In vielen Kläranlagen werden auf jeden "legalen" Kubikmeter Abwasser in der Kläranlage mehrere Kubikmeter Fremdwasser gemessen. Dass es sich hier um nicht verschmutztes Wasser handelt, ist kein Grund zur Beruhigung; vielmehr führt die Verdünnung des Abwassers dazu, dass die Kläranlagen mit schlechterem Wirkungsgrad arbeiten als geplant. Erst recht problematisch ist es, dass Fremdwasser die Kapazität der Kanalnetze und der Kläranlagen chronisch überlastet. Aus Kanälen, die mit Fremdwasser überlastet sind, tritt bei starken Regenereignissen schnell Abwasser in die Umgebung und über Notüberläufe in die Gewässer aus - ein Umweltrisiko!

Ausserdem kostet Fremdwasser sehr viel Geld: Pumpwerke müssen öfter betrieben werden und viele Kanalnetze werden viel zu gross und damit zu teuer ausgelegt, um der Fremdwassermengen Herr zu werden. Extrem teuer kann es für die Gemeinde werden, wenn sie den Anspruch auf ermässigte Abwassergebührensätze in Folge des Fremdwasserproblems verliert. Das kann dann geschehen, wenn die Bewilligungsbehörden feststellen, dass eine unzulässige Verdünnung des Abwassers stattfindet. Deshalb rentiert sich die frühzeitige Kanalsanierung gerade in Bereichen mit hoher Fremdwasserbelastung sehr schnell.

Andererseits stellen Kommunen immer wieder fest, dass die Fremdwasserbekämpfung im öffentlichen System häufig nur dazu führt, dass das Grundwasser anschliessend nach rechts und links auf die Grundstücke ausweicht und über deren undichte Leitungen dann doch ins öffentliche Netz eindringt. Damit "verpuffen" öffentliche Millionen-Investitionen wirkungslos. Das wollen die Gemeinden verständlicherweise nicht hinnehmen. Sie müssen es von Rechts wegen auch nicht. Ihr Instrument, dem Problem entgegen zu treten, sind die gesetzlichen Regelungen zur Inspektion und Sanierung von Liegenschaftsentwässerungsanlagen.

 


Massiver Fremdwassereinbruch im Hauptkanal.

 
Fremdwassereintritt in einem fehlerhaft an den
Hauptkanal angeschlossenen Hausanschlusskanal.
     

Leider ein ganz "normales" Bild: Fremdwasser in
einer undichten Hausanschlussleitung.

   

 

4. Kommunale Siedlungsentwässerungsverordnungen / Abwasserreglemente

Die kommunale Siedlungsentwässerungsverordnung oder das Abwasserreglement legt die Pflichten und Rechte der Grundstückseigentümer bei der Benutzung öffentlicher Abwasseranlagen fest, ebenso die technischen Bedingungen, nach denen Grundstücke in die öffentliche Abwasseranlage entwässern müssen bzw. dürfen.

Wichtig ist dabei, wo die Grenze zwischen öffentlicher und privater Abwasseranlage zu setzen ist. Das kann auf der Grundstücksgrenze sein, aber auch in einem Übergabeschacht auf dem Grundstück. Oft umfasst die private Zuständigkeit aber auch den gesamten Hausanschlusskanal bis zur Einmündung in den Hauptkanal.

Die erheblichen technischen und finanziellen Folgen des Fremdwasserproblems werden bislang häufig unterschätzt. Wer wegen mangelnder Wartung und Sanierung seiner Anlagen Fremdwasser einleitet, belastet damit die übrigen Abwasser-Gebührenzahler in unzulässiger Weise.

 

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